Während der Connichi 2018 hatten Yugius von Tabimonogatari und ich recht spontan die Möglichkeit Seiji Kishi ein paar Fragen zu stellen und wir möchten Euch dieses kleine Interview nun nicht mehr länger vorenthalten. 😉
Als Übersetzerin war übrigens wieder Jasmin Dose zur Stelle.
Bevor es mit den Fragen losgeht, sollte man natürlich noch kurz erwähnen, wodurch man als Animefan denn schon mal auf Seiji Kishi gestoßen sein könnte. Hauptsächlich ist er als Regisseur tätig und viele seiner Werke sind durchaus bekannt und erschienen teilweise auch in Deutschland, z.B.:
- Angel Beats!
- Assassination Classroom
- Carnival Phantasm
- Danganronpa The Animation
- Humanity Has Declined
- Persona 4: The Animation
- Yuki Yuna Is a Hero
Aber nun starten wir mal mit dem Interview:
TMSIDR: Bei der Recherche ist mir aufgefallen, dass Sie im ersten Danganronpa Anime als Director eingetragen sind, bei Danganronpa 3 wirkten Sie dann als Chief Director und bei einer anderen Serie waren Sie auch als Supervision mit. Wie unterscheiden sich diese Positionen denn direkt voneinander?
Seiji Kishi: Als Regisseur muss man viele Meetings führen und möglichst oft die Mitarbeiter treffen. Der Chief Director, also quasi der Chef-Regisseur, gibt anderen Regisseuren Anweisungen und überwacht das Ganze von einer Etage weiter oben.
Der Regisseur achtet darauf, dass alle in die gleiche Richtung schauen und dass das Werk sich in die richtige Richtung entwickelt. Als Chef-Regisseur habe ich dann weniger direkten Kontakt mit den Mitarbeitern.
Das ist aber auch ein bisschen von dem jeweiligen Projekt abhängig, wie das konkret abläuft.
Tabimonogatari: Sie haben ja öfters an Originalwerken gearbeitet, die nicht auf einer Vorlage basierten, beispielsweise Tsuki ga kirei, was letztens erschien und ich habe mich gefragt, inwieweit Sie in der Planungsphase involviert waren und wie viel Einfluss Sie auf die Festlegung der Charaktere oder die Story in der Vorproduktion hatten.
Seiji Kishi: Bei Originalwerken habe ich tatsächlich sehr viel Einfluss. Um mal beim Beispiel Tsuki ga kirei zu bleiben, im Wesentlichen besteht das Team aus den drei Hauptmitarbeitern, dem Regisseur, dem Produzenten und dem Drehbuchautoren. Diese drei Mitarbeiter kommunizieren viel miteinander, halten Meetings ab, d.h. da habe ich als Regisseur doch sehr großen Einfluss.
Jedoch kann dies je nach Projekt wieder unterschiedlich sein, aber bei Originalwerken gilt im Allgemeinen, dass ich als Regisseur sehr deutlich Einfluss nehmen kann.
TMSIDR: Eins Ihrer aktuellen Projekte [Kengan Ashura] ist ein Anime für Netflix und da würde mich interessieren, ob es Unterschiede gibt zu traditionellen TV-Serien, die primär für den japanischen Markt direkt produziert werden, während der internationale Markt ein Nachgedanke ist. Wird bei einer Netflix-Produktion dann der internationale Markt stärker in Betracht bezogen? Geht die Denkweise dann mehr in die Richtung, was könnte die internationalen Fans vielleicht mehr interessieren, was wäre für das Verständnis besser? Denkt man dann anders, wenn die Zielgruppe auch gleich etwas größer sein könnte?
Seiji Kishi: Es geht wahrscheinlich um Kengan Ashura. Tatsächlich war von vornherein die Zielgruppe die internationalen Zuschauer, denn bei Kengan Ashura geht es ja um Kampf und Kampfkunst. Das würde in Japan keine Chance haben, das würde nicht ankommen. Das heißt, bei der Produktion haben wir bereits unseren geschäftlichen Fokus auf die Welt, auf die internationalen Fans gesetzt, denn alleine mit dem japanischen Markt wäre das Projekt gar nicht zustande gekommen.
Am Anfang der Produktion war Netflix noch gar nicht involviert und trotzdem war Kengan Ashura von vornherein auf das ausländische Publikum gerichtet. Im Nachhinein kam dann Netflix dazu.
Tabimonogatari: Oft werden Animes als Promotion für die Vorlage, auf der sie basieren, sei es ein Spiel, eine Visual Novel, oder eine Light Novel, also ein Buch, produziert. Stimmen Sie erstmal dieser Aussage zu? Und wenn Sie eine Vorlage adaptieren, ist es Ihnen wichtiger diese möglichst originalgetreu abzubilden oder versuchen Sie über die Vorlage hinaus, etwas Neues hineinzuinterpretieren und neue Konzepte herauszubringen in dem Anime?
Seiji Kishi: Ja, also grundsätzlich stimme ich dem zu, dass die Vorlage beworben werden soll.
Und ja, es ist tatsächlich letzteres. Ich versuche immer über den Rahmen hinauszugehen, sonst hat es ja keinen Sinn daraus ein Bewegtbild zu machen. Sonst reicht es ja, den Manga oder die Light Novel oder was auch immer zu lesen. Es muss schon irgendwie erkennbar sein, dass es Sinn gemacht hat, dass daraus ein Bewegtbild geworden ist.
Wie gesagt, dass ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich wenn zum Beispiel das Geschäftliche mehr im Vordergrund steht als das Werk oder die Regie an sich, dann kann es sein, dass es wichtiger ist, originalgetreu darzustellen, als dass man dann einen Mehrwert auf das Bewegtbild legt oder diesem neues hinzufügt.
TMSIDR: Sie haben ja wirklich viele Spieleadaptionen gemacht und da würde mich interessieren, ob Sie es dann tatsächlich schaffen, jedes dieser Spiele als Vorbereitung komplett durchzuspielen oder ob Sie dann z.B. auch die Zwischensequenzen von den Studios zu sehen bekommen, damit Sie vergleichen können? Wie sieht dann da die Zusammenarbeit mit dem Spielestudio aus (siehe oben)?
Seiji Kishi: Erst zur Frage, ob ich alle Spiele spiele. Ja, definitiv, ich spiele alle durch und ich bin ja selbst auch Fan von den Spielen in der Regel und bevor ich dann so ein Angebot bekomme, habe ich das Spiel dann meistens schon abgeschlossen.
Zur zweiten Frage, das ist auch von Projekt zu Projekt etwas unterschiedlich, aber in meinem Fall ist es so, dass ich mit den Gamestudios sehr gut zusammenarbeite.
Zumindest bei meinen Projekten kann ich sagen, dass Gamesfirmen immer mitarbeiten. Das heißt, ich kann wirklich behaupten, dass meine Projekte alle quasi die offizielle Version sind.
Die Animes zu den Spielen basieren nicht auf unseren Gehirnergüssen, sondern tatsächlich in Zusammenarbeit mit den Spielehersteller.
Tabimonogatari: Eine verwandte Frage: Wenn Spiele adaptiert werden oder auch Visual Novels, sagen wir Danganronpa als Spielbeispiel, gibt es so viel Gameplay über mehrere Stunden, Routen und Abzweigungen und Anime ist ja ein ganz anderes Format, keine Interaktionsmöglichkeit, begrenzte Zeitlänge und so es ist schwer da zu entscheiden, wie es adaptiert wird. Wie gehen Sie das am besten an? Haben Sie da irgendeine Strategie, welche Szenen Sie da reduzieren müssen oder machen Sie das emotional, was Ihnen am besten gefallen hat?
Seiji Kishi: Um beim Beispiel Danganronpa zu bleiben. Es gibt ja gar nicht so viele Substories, nicht so viele Abzweigungen in der Story. Es ist eigentlich eine relativ klare Linie, wie die Story vorangeht, also es ist nicht so sehr interaktiv. Spiele aus denen ich Animes gemacht habe sind gar nicht so unfassbar interaktiv, also P3 [Persona 3] nicht, P4 auch nicht.
Ja, klar, es gibt immer mal wieder so Substories, Subrouten, aber der Fokus liegt tatsächlich darauf, die Hauptgeschichte erstmal attraktiv zu animieren, die Handlung hauptsächlich darauf aufzubauen und da kann man dann schon relativ gut sehen, wie der Weg zu gehen ist.
Falls nach dem Festlegen des Hauptgerüst der Handlung noch Kapazitäten frei sind, schaut man sich an, welche Substories beliebt sind und wie diese dann in die Hauptgeschichte eingebunden werden können.
Bei P4 sieht man das relativ deutlich.
TMSIDR: Mich würde interessieren, ob Sie generell lieber an Originalanime arbeiten, sowas wie Yuuki Yuuna wa Yuusha de Aru [Yuki Yuna Is a Hero] als Beispiel oder ob Sie auch manchmal eine Adaption ganz spannend finden, weil Sie dann schon etwas haben und vielleicht selber Fan sind? Oder ob einfach Abwechslung wichtig ist?
Seiji Kishi: Ich mag beides!
Die Arbeitsweise verändert sich einfach, je nachdem ob es ein Original ist oder eine Vorlage adaptiert wird. Wie vorhin gesagt, wenn ich eine Vorlage habe, geht es darum möglichst die Vorlage zu bewahren und gleichzeitig einem Sinn zu geben, dass ich daraus einen Anime gemacht habe. Bei einem Originalwerk kann ich alles neu gestalten, was natürlich auch viel Spaß macht. Beides macht Spaß und ist sehr gute Arbeit.
Somit endete das Interview und ich möchte mich an dieser Stelle bei der Connichi für die Vermittlung und bei Jasmin für die kompetente Übersetzung bedanken! Und natürlich auch an Kishi-san, dass er sich die Zeit für unsere Fragen genommen hat!
Bildquelle: Netflix
© 2019 サンドロビッチ・ヤバ子,だろめおん,小学館/拳願会